Finanzielle Unterstützung im Alter mit Betreuungsgutsprachen, Bern

I-2019-005 / Bewilligungsjahr: 2019 / Abschlussjahr: 2022

Betreuungsgutsprachen sollen Finanzierungslücken schliessen, wenn alte Menschen Betreuungsleistungen benötigen und sich diese nicht leisten können. Die Organisation und Wirkung eines Gutsprachenmodells hat die Stadt Bern in einem dreijährigen Pilotprojekt getestet und evaluiert.

Projektbeschrieb

Während die Alterspflege über die Krankenversicherung und kantonale Beiträge finanziert wird, ist die Betreuung und Unterstützung im Alltag Privatsache. Pensionierte, die in bescheidenen finanziellen Verhältnissen leben, können sich Unterstützungsangebote, wie beispielsweise Mahlzeitendienste, oft nicht leisten.

Um diese Lücke zu schliessen, finanzierte die Stadt Bern von 2019 bis 2022 bestimmte Unterstützungsangebote mittels Betreuungsgutsprachen, welche für die rund 400 Personen im AHV-Alter vorgesehen waren, die in der Stadt Bern wohnen und deren Einkommen und Vermögen eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet. Mitfinanziert wurden sechs Kategorien von Dienstleistungen: 1. Notrufsysteme zur Erhöhung der Sicherheit, 2. Wohnungsanpassungen und Hilfsmittel, 3. Mahlzeitendienste und Mittagstische, 4. Besuchs- und Begleitdienste, soziale Aktivitäten und Administrationsunterstützung, 5. Haushaltshilfen und 6. Beiträge für eine betreute Wohnform.

Es wurden pro Person maximal Fr. 500 pro Monat ausbezahlt. Wohnungsanpassungen und Hilfsmittel wurden über die gesamte Bezugsdauer mit max. Fr. 3'000.-- finanziert. Grundlage für eine Betreuungsgutsprache war der Nachweis der finanziellen Anspruchsberechtigung und des Bedarfs. Das Projekt Betreuungsgutsprachen wurde in Zusammenarbeit mit der Pro Senectute Kanton Bern durchgeführt, welche im Auftrag der Stadt die Bedarfsabklärung bei Interessierten durchführte. Während der Pilotphase wurden 149 Anmeldungen registriert. Es wurden 118 Bedarfsabklärungen durchgeführt und 111 Kostengutgutsprachen bewilligt.

Die Berner Fachhochschule begleitete das Projekt wissenschaftlich. Im Fokus der Evaluation stand der Zugang zu den Betreuungsgutsprachen, die Bedarfsabklärung, die Passung der Leistungen sowie der administrative Prozess. Der Bericht der Berner Fachhochschule (2022, 72 Seiten) beschreibt das Angebot des Gutschriftenmodells und rekapituliert die Ergebnisse der wissenschaftlichen Projektbegleitung. Daraus leiten die Autorinnen Empfehlungen für die Verstetigung des Angebots sowie für die Adaption in anderen Städten und Gemeinden ab. Der Bericht richtet sich gleichermassen an die breite Öffentlichkeit wie an potenzielle Anbieter, Fachorganisationen, politische Gremien und Entscheidungsträger.

Eckdaten

TrägerschaftStadt Bern
ProjektleitungKompetenzzentrum Alter
PartnerorganisationenPro Senectute Kanton Bern
Berner Fachhochschule BFH
Departement Gesundheit und Departement Soziale Arbeit
FinanzierungspartnerGesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern
Gesamtprojektkosten CHF 750'000 (inkl. Personalkosten)
Beitrag der Age-StiftungCHF 85'000 (Begleitforschung)

Kommentar der Age-Stiftung

Kommentar zur Bewilligung 2019

Der Kanton Bern hat auf Ende 2012 das sogenannte Wohnheimmodell abgeschafft. Bis Ende 2012 konnten Anbietende von betreuten Wohnformen für Mietende mit Ergänzungsleistungen (EL) eine Tagespauschale von CHF 115 verrechnen, was monatlichen CHF 3’450 pro Mietenden mit EL entsprach. Seit 2013 werden betreute Wohnformen seitens EL dem «normalen» Wohnen gleichgesetzt, und die Miete wird lediglich mit CHF 1’100 für eine Person bzw. CHF 1’250 für zwei Personen abgegolten [Stand 2019]. Daraus resultierte eine Versorgungslücke für AHV-Rentnerinnen und
-Rentner mit EL. Der Gemeinderat der Stadt Bern hat das Problem erkannt und in den Legislaturzielen 2017–2020 berücksichtigt. Die Wirksamkeit und Eignung der Betreuungsgutsprachen wird im Rahmen der dreijährigen Pilotphase wissenschaftlich untersucht. Die Erkenntnisse sind von grundsätzlichem gerontologischem und alterspolitischem Interesse. Der Newsletter der Age-Stiftung wird über die Resultate berichten. 

Kommentar zum Abschluss 2022

Das Projekt «Betreuungsgutsprachen» hat sich in seiner Grundkonzeption und mit Anpassungen im Laufe der dreijährigen Pilotierung (2019-2022) insgesamt bewährt. Die Stadt bereitet den Regelbetrieb vor, über dessen Einführung der Stadtrat beraten wird. Den Begleitforscherinnen (Eva Soom Ammann / Regula Blaser) der Berner Fachhochschule (BFH) ist es gelungen, das Projekt auf eine wirkungsvolle Art und Weise zu begleiten. Der vorliegende Schlussbericht und insbesondere das Kapitel 6 enthält eine Fülle von Empfehlungen für die Verstetigung und für die Entwicklung von weiteren zukunftsgerichteten Lösungsansätzen. Es wird deutlich, dass die Entwicklung einer adäquaten Gutsprachenpraxis kein Selbstläufer ist, insbesondere wenn sie sich beim Bezug von Leistungen am Prinzip der Selbstbestimmung orientiert. Der Aufwand für die Weiterentwicklung rechtfertigt sich, wenn man dadurch die richtigen Bedarfsgruppen erreicht und so eine empfindliche Systemlücke schliessen kann. Zur Einstimmung ins Thema sei diesbezüglich die Lektüre der Zielgruppen-Porträts im Bericht empfohlen. Sie führen uns lebensnah vor Augen, was oft vergessen geht, wenn wir in Versorgungskategorien denken: Die Würde des Menschen ist unantastbar und das Streben nach Selbstbestimmung, egal in welcher Lebensphase und -situation, ist gross. 

Bilder

Profil

Matrix: Gutsprachen Bern, I-2019-005, BE

Gutsprachen BernI-2019-005
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13.07.2022